Eine kleine Mühlengeschichte
Historische Papiermühle… Das ist schnell mal so dahin gesagt. Was das bedeutet, ist mir erst bewusst geworden, als ich für die Beantragung der Wasserrechte einige alte Dokumente zur Hand nehmen musste. Beim Zusammentragen derselben hatten wir großartige Unterstützung durch Thomas Gründel vom hiesigen Ortschronikverein, und mittlerweile können wir sagen, ist unsere Mühle ganz gut dokumentiert. Hier in Kurzform ihre Geschichte:
Erstmals erwähnt ist eine Schlagmühle an diesem Ort bereits 1555. Das Hauptgebäude, also unser Wohn- und Maschinentrakt, ist in dieser Form aber erst 1695 entstanden. Nach Zeugenaussagen bei einem Gerichtsstreit soll Adam Hoßfeld die Mühle auf einem Platz errichtet haben, der vorher lange wüst lag. Die erste Mühle scheint also nicht lange bestanden zu haben. Von 1699 ist schließlich ein Kaufvertrag erhalten, in dem Adam Hoßfeld jene Mahl- und Schlagmühle bereits wieder an Wilhelm Heß veräußert.
Die Mühle wechselte zu Anfang recht häufig den Besitzer, denn hiernach muss ein gewisser Johann Perlet die sogenannte Rasenmühle übernommen haben, der sie schon 1736 an Johann Hoßfeld weiter verkaufte. 1749 wird diesem der Einbau eines zweiten Mühlganges bewilligt und als er 1752 einen dritten Gang als Walkgang betreiben will, kommt es zum Gerichtsstreit mit seinen Verwandten, die weiter oben an der Schweina eigene Mühlen betreiben. Bisher wurde die Mühle scheinbar als Oelmühle und mit dem neuen Walkgang auch zum Walken von Leder genutzt.
Nun taucht unsere Mühle erst 1799 im Kirchenbuch von Schweina wieder auf, in dem als Besitzerin Eva Maria Trautvetter, verwitwete Eck, genannt wird. Wie die Mühle in ihren Besitz kam, ist nicht bekannt. 1806 verstarb die Witwe Trautvetter und ihr Sohn aus erster Ehe, Friedrich Eck, übernahm das Gut. Nachdem die Besitzverhältnisse der Folgezeit lange ungeklärt waren, ist schließlich ein Tauschvertrag aufgetaucht, aus dem deutlich wird, dass jener Friedrich Eck die Rasenmühle 1806 gegen die obere Papiermühle des Johann Friedrich Oschmann getauscht haben muss. Johann Friedrich Oschmann betrieb schon länger eine Papierfabrikation weiter oben im Dorf. Nun zog er also mitsamt seinem Inventar in die Rasenmühle um, die fortan Oschmannsche Papiermühle genannt wurde.
Jetzt wurde also endlich Papier hergestellt. Eine der wenigen Jahreszahlen, die man in unserer Mühle findet, stammt in etwa aus dieser Zeit. Am steinernen Trog des Holländers, ist mit 1815 das Datum seiner Aufstellung eingraviert. Seit 1806 wurde also in unserer Mühle Papier hergestellt und zwar vorerst nach althergebrachter Art, also mit starren Rahmen aus einer Bütte geschöpft. Im Buch und Schriftkundemuseum in Leipzig sind einige Bögen des bei uns hergestellten Papiers aufbewahrt worden. Einen Bogen mit dem etwas unkreativen Wasserzeichen von Johann Friedrich Oschmann (1806 bis 1842 Papiermüller) durfte ich dort schon in der Hand halten. Ebenfalls erhalten ist die verbriefte Lumpensammelpacht. Zu einer Papiermühle gehörte im beste Fall das Recht den knappen Rohstoff, die Lumpen, in der umliegenden Gegend sammeln zu dürfen und dies am besten als Monopol. Solch eine Pacht ist 1807 von Herzogin Louise Eleonore von Hohenlohe-Langenburg an meine Vorgänger ausgestellt worden.
Nun war das 19. Jh. nicht nur politisch brisant. Die Industrialisierung revolutionierte auch die Papierherstellung. Eigentlich blieb nichts beim Alten. Die Blattbildung auf dem Sieb wurde automatisiert (1789 Langsieb-, und 1805 Rundsiebpapiermaschine), die Erfindung des Holzschliffs löste die Lumpen als Rohstoff ab (1843), und auch die Trocknung und Glättung des Papiers wurde zunehmend Maschinen überlassen. Im Grunde war die Oschmannsche Papiermühle zum Zeitpunkt des Tausches bereits veraltet und hinkte der Entwicklung hinterher. Trotzdem wurde weiterhin im Familienbetrieb und per Hand Büttenpapier hergestellt. Erst 1884, die Mühle ist immer noch im Besitz der Oschmanns, wurde halbherzig modernisiert und eine kleine Rundsiebpapiermaschine aufgestellt. Diese übernahm aber lediglich die Blattbildung. Alle anderen Arbeitsgänge, wie die Zubereitung des Rohstoffes und die Glättung und Trocknung des Papiers wurden weiterhin mit den althergebrachten Mitteln durchgeführt. Diese eigenwillige Kombination von Maschinenbetrieb und handwerklichen Methoden und überhaupt die maschinelle Herstellung von Papier in diesem kleinen Stil ist ziemlich einzigartig. Was vermutlich daran lag, dass es (damals!) eine ziemlich miese Idee war. Mit den großen industriellen Betrieben konnte man auf diese Art und Weise trotzdem nicht mithalten und so stellte sich schon 1905 die Frage, ob der unrentable Betrieb nicht eingestellt werden soll.
Nur dem Engagement des in die Oschmannsche Papiermacherfamilie eingeheirateten Hugo Fritz ist es zu verdanken, dass noch bis 1959 weiter Papier produziert wurde.
Freilich zuletzt auf qualitativ sehr niedrigem Niveau. Immerhin betrug die Jahresproduktion 1958 noch 45t Verpackungspapier, das zu 100% aus Altpapier hergestellt wurde und in der umliegenden Industrie zum Einsatz kam.
Gerade als die letzten Reste Altpapier 1959 verarbeitet werden sollten, hat der Papierforscher Wisso Weiß noch schnell ein Video in Auftrag gegeben, in dem der Produktionsprozess festgehalten wurde. Dieses Video könnt ihr hier sehen.
http://www.youtube.com/watch?gl=DE&hl=de&v=9BKWulwpyGU
Außerdem gibt es noch ein Interview, das Herr Weiß mit Elli Wegener, der Tochter von Hugo Fritz und der letzten Bewohnerin der Mühle geführt hat. Das muss wohl in den 80er Jahren entstanden sein, schätze ich. Man achte auf die virtuose Kameraführung.
http://www.youtube.com/watch?v=-HM7Tw6akW0
Ihr seht, ich kann auf eine stolze, oder naja sagen wir zumindest lange Tradition zurückblicken und was kann man sich besseres vorstellen, als in die Fußstapfen des alten Fritz zu treten. Ich mag die Einstellung bei 1 min 35 des Videos. Dem sitzt doch der Schalk im Nacken. Hugo Fritz hatte die Papierherstellung übrigens auch nie gelernt!